Zur Baugeschichte der Burg Davensberg
Anläßlich des geplanten Neubaus eines Heimatmuseums auf dem Gelände der ehemaligen Burgstelle Davensberg wurde eine archäologische Untersuchung notwendig, die im Sommer 1987 zwischen Burghügel und Emmerbach vom Westfälischen Museum für Archäologie/Referat Mittelalter-Archäologie durchgeführt wurde. Im Mittelpunkt des Interesses standen hierbei insbesondere mögliche Vorgängeranlagen sowie die Gründungszeit der Burg, deren Geschichte - soweit aus den vorliegenden Quellen bekannt - im folgenden kurz dargestellt werden soll.
Historische Grundlagen 1263 ist die Burg als "castrum" zuerst urkundlich genannt, doch bezeichnete sich ihr Besitzer, der Ritter Hermann von Meinhövel, schon 1256 als "Hermaannus de Daverenberge" (Anm. 1). Mit größter Sicherheit also dürfte die Anlage bereits zu diesem Zeitpunkt bestanden haben. Sind diese Aussagen allgemein feststehend und unumstritten, so bestehen doch bezüglich des Gründungszeitpunktes der Burg Davensberg in der historischen Forschung zwei unterschiedliche Positionen, für die jeweils gewichtige Argumente angeführt werden können. J. Schwieters und in seiner Nachfolge K. E. Mummenhoff gehen davon aus, daß die erste faßbare Besitzerfamilie Meinhövel, die von dem gleichnamigen Adelssitz im Kirchspiel Nordkirchen abstammte, nicht als Gründer der Burg anzusehen sei, sondern durch Einheirat in eine Familie von Davensberg deren Erbnachfolge angetreten habe (Anm. 2). Schwieters' Annahme, der Burg sei eine längere Tradition beschieden gewesen als ihre Ersterwähnung schließen läßt, gründet sich auf die umfangreichen und bedeutenden Rechte, die zum Hause Davensberg gehörten: Neben dem Hause selbst das halbe Gogericht Davensberg mit dem Geltungsbereich des späteren Amtes Werne, der Freistuhl auf dem Benningkamp als Teil der Rinkeroder Freigrafschaft sowie der Wildbann im Waldgebiet Davert (Anm. 3). Sodann gilt für die Mehrzahl aller Burgen, daß sie in der Regel für das Gründergeschlecht ohne weitere Zusätze namensgebend waren. Mit Recht ist gegen die Frühdatierung Schwieters' von A. Tibus und zuletzt von H. Müller geltend gemacht worden, daß weder eine Familie noch eine Hofanlage des Namens Davensberg in Urkunden aus der Zeit vor 1256 zu belegen sind (Anm. 4). Dagegen aber macht eine Betrachtung der Ereignisse im Fürstbistum Münster während der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts deutlich, daß für die ehemals edelfreie Familie von Meinhövel Gründe genug bestanden, aus dem Kernbereich des Bistums in den südlichen Randbereich auszuweichen, in dem das Geschlecht seinen Besitzschwerpunkt besaß. Denn in der Mitte des 13. Jahrhunderts sind Auseinandersetzungen derer von Meinhövel mit Bischof Ludolf von Münster bezeugt, die 1242 in der Schlacht bei Ermen unweit der Burg Meinhövel mit einer Niederlage der mit den Grafen von Geldem verbündeten Herren von Meinhövel endeten (Anm.5). Obgleich bislang für die Vermutung, die bischöfliche Burg Wolbeck sei im Anschluß an dieses Ereignis anstelle einer Meinhövelschen Vorgängeranlage errichtet worden, keine urkundlichen Belege erbracht werden könnten, bestehen doch Anhaltspunkte für eine solche Abfolge (Anm. 6). Beispielsweise muß auffallen, daß im Vorfeld der Spannungen mit den Brüdern Meinhövel Bischof Ludolf 1238 den Ort Telgte zur Stadt erhob und mit dieser Maßnahme eine Wegeverbindung von Süden über die Ems in das Fürstentum Osnabrück und die Grafschaft Tecklenburg sicherte (Anm. 7). Es wäre sehr wohl denkbar, daß der Schutz des Bistums durch die Anlage der befestigten Stadt Telgte an einer Emsfurt Überfällen der Grafen von Tecklenburg gleichermaßen galt wie solchen derer von Meinhövel, insbesondere dann, wenn Wolbeck in ihrem Besitz gewesen wäre. Schließlich verdient in diesem Zusammenhang auch der Umstand Beachtung, daß die Niederlage bei Ermen und die Gründung von Burg und Stadt Wolbeck zwischen 1242 und 1245 zeitlich eng aufeinander folgten (Anm. 8). Nach 1242 ist die Verlagerung der Meinhövelschen Interessen nach Süden hin feststellbar, wie die Gründungen von Burg Botzlar (1250 zu erschließen) und Davensberg anzeigen (Anm. 9). Die weiteren Ereignisse des 13. und 14. Jahrhunderts lassen erkennen, daß der Widerstand derer von Meinhövel, nach 1322 der ihrer Nachfolger, der Edelherren von Büren, weiterbestand und in Bündnissen mit den Gegnern der Bischöfe von Münster seinen Ausdruck fand. So stellten sich 1268 die Brüder Bernhard und Friedrich von Davensberg in den Dienst des Grafen von Arnsberg, der als Bündnispartner des Erzbischofs von Köln eine Niederlage gegen Bischof Gerhard von Münster hinnehmen mußte, und 1298 wurde der Davensberg sogar als sog. Offenhaus dem Erzbischof verfügbar gemacht (Anm. 10). Kölnische Bemühungen, im Süden des Fürstbistums Fuß zu fassen, wurden im 14. Jahrhundert von märkischen Bestrebungen abgelöst. Wenn es in dieser Phase wechselnder Koalitionen Bischof Ludwig von Münster dennoch gelang, auf die Davensburg und ihre Besitzer Einfluß zu nehmen, so mögen Uneinigkeiten im Zuge der Besitzerwechsel um 1320 eine Rolle gespielt haben. Denn Bischof Ludwig wurde 1322 der Anteil Bertholds von Büren zu Lehen angetragen, der allerdings nur die Hälfte der Burg und des Wildbannes in der Davert umfaßt hat (Anm. 11). Die andere Hälfte verblieb offensichtlich im Besitz des letzten männlichen Nachkommen Hermann von Meinhövel, der erst um 1360 verstorben ist. Sehr gut möglich wäre, daß dieser in alter, nach Unabhängigkeit strebender Familientradition, dem märkischen Gegner des Bischofs seinen Anteil am Hause Davensberg verkauft hatte und Berthold von Büren befürchten mußte, daß in der anstehenden Fehde zwischen Münster und Mark Davensberg im Zentrum der Kämpfe stünde. Obgleich die Fehde für Bischof Ludwig sehr ungünstig verlief, konnte der Bischof in der Sühne vom 23.11.1323 die Rückgabe des Hauses Davensberg an die rechtmäßigen Erben durchsetzen, während in Lünen, Olfen, Werne und Patzlar märkischer Einfluß weiter gefestigt wurde (Anm. 12). Im weiteren Verlauf des 14. Jahrhunderts setzten sich die Bischöfe Adolf und Florenz noch erfolgreicher gegen das Unabhängigkeitsstreben von Davensberger Burgherren durch. Zwar entging die Burg 1355 einer Zerstörung durch den Bischof von Münster und durch die Grafen von der Mark, doch führten erneute Unruhen zur Unterwerfung der Davensburg durch Bischof Florenz von Wevelinghofen (Anm. 13). Sicherlich nicht ganz freiwillig verkaufte Berthold II. noch in diesem Jahr die Freigrafschaft Sendenhorst an den Bischof. 1368 wirft die Gefangennahme märkischer Untertanen, die als Burgmannen auf dem Davensberg ihren Stützpunkt hatten, ebenfalls ein bezeichnendes Licht auf die oppositionelle Haltung derer von Büren zu ihrem bischöflichen Oberherren (Anm. 14). In der Übertragung des Hauses Davensberg 1531 als Reichslehen an Kaiser Karl V. gipfelte das starke Unabhängigkeitsstreben derer von Büren, doch hatte diese Maßnahme keinen Einfluß mehr auf die bestehenden Verhältnisse (Anm. 15). Immerhin bewahrten die jeweiligen Besitzer des Hauses, seit Ende des 16. Jahrhunderts die Familien Wulf zu Füchteln und Morrien zu Nordkirchen, nach 1736 die von Plettenberg zu Nordkirchen, die Hälfte der Gogerichtsbarkeit im Amt Werne bis zur Aufhebung des Fürstentums Münster im Jahre 1803. Die Geschichte des Hauses Davensberg, die auf das engste mit der des Geschlechtes von Burg Meinhövel verbunden ist, vermittelt auf sehr anschauliche Weise, mit welch starkem Widerstand die Fürstbischöfe von Münster bei der Durchsetzung der Landesherrschaft während des 13. und 14. Jahrhunderts in diesem Raum rechnen mußten. Über den Aufbau der Burg ist aus den archivalischen Quellen zu erschließen, daß die Anlage aus Vor- und Hauptburg bestanden hat (Anm. 16). Während sich die Reste der Hauptburg in der unbebauten Erhebung nördlich des Turmes befinden, der als einziger Teil der (Haupt)burg noch heute besteht, ist der Standort der Vorburg im unbebauten Gelände im südlichen Vorfeld dieses Ruinenhügels zu suchen (Anm. 17). Eine einschneidende Zäsur in der Baugeschichte der Burg stellten das späte 15. Jahrhundert und die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts dar, als die Anlage unter Balthasar und Johann II. von Büren im großen Stile aus- und umgebaut wurde. Noch im 19. Jahrhundert entsprach wohl zumindest der Gebäudebestand der Vorburg in seiner Verteilung jenem der Ausbauphase (Anm. 18). Demnach sind zwei Bauhäuser belegt, die sich mit ihren Längsseiten im Westen (großes Bauhaus) und im Osten (kleines Bauhaus) am Verlauf des inneren Grabens orientierten. In ihnen waren das Gesinde und der Verwalter untergebracht. Durch das Pfortenhaus im Südwesten gelangte man auf den unteren Platz der Vorburg und konnte über eine Zugbrücke westlich des Turmes die Hauptburg erreichend (Anm. 19). Im Osten standen neben dem kleinen Bauhaus die große und die kleine Mühle. Der Mühlenkolk diente im Süden als äußerer Wassergraben und wurde vom Einmerbach gespeist. Vor den Mühlen zweigt vom Enimerbach der Hahnenbrinksbach ab, der die Mühlen antrieb und die gesamte Burgstelle im Norden und Osten schützte.
1987 wurde insbesondere der Südostteil der Vorburg untersucht. Freigelegt wurden hierbei die Backsteinfundamente des kleinen Bauhauses, und zwar Teile der beiden Längswände sowie Reste der südwestlichen Giebelwand. Während das Fundament der südlichen Längswand im unteren Bereich aus einer Schüttung von Backsteinbruch bestand, die in sandigem Lehm und Kalkmörtel vergossen und mit einer Lage von Backsteinen abgedeckt war, waren die Fundamente der nördlichen Längswand und der südwestlichen Giebelwand lagerhaft aufgemauert. Es stellte sich heraus, daß die nördliche Längswand auf einer älteren Backsteinmauer (Stärke 0,6 m) gegründet war, die in ihrem weiteren Verlauf etwa 9 m nach Südwesten verfolgt werden konnte und sich somit als äußere Mauerbegrenzung für den inneren Graben zu erkennen gab. Bereits einen Meter hinter der Nordwestecke des kleinen Bauhauses verstärkt sich diese Grabenwand auf 0,9 m.
Ihre massivere Ausführung im Bereich des Turmes könnte in Zusammenhang stehen mit der direkt südwestlich des Turmes gelegenen Eingangssituation in die Hauptburg. Die Ausführung der Fundamente des kleinen Bauhauses bestätigt die aus der archivalischen Überlieferung bekannten Angaben über Maße und bauliche Beschaffenheit des Gebäudes. So weisen die Fundamente der Längswände auf Holzkonstruktionen im Aufgehenden (Fachwerk), die der Giebelseite auf eine massivere Bauweise (Steinbau) hin (Anm. 20). Zum kleinen Bauhaus gehörige Fußböden ließen sich nicht nachweisen. 0,6 m unter Geländeoberfläche waren jedoch spärliche Überreste eines älteren Laufhorizontes festzustellen.
Aus diesen Gruben konnte spätmittelalterliche Keramik des 13. - 15. Jahrhunderts geborgen werden. Es handelt sich dabei um graue harte Irdenware, steinzeugartig harte Irdenware sowie um verschiedene Faststeinzeuge und vollentwickeltes Steinzeug Siegburger Art. Aus den darüber hinwegziehenden Füllschichten stammen bleiglasierte Irdenwaren und vollentwickeltes Steinzeug Siegburger Art, so daß eine zeitliche Einordnung der Füllschichten in das 16. Jahrhundert vorgenommen werden kann. Lediglich am südwestlichen Fuße des Ruinenhügels bot sich die Möglichkeit für eine kleine Sondierung im Bereich der Hauptburg. Hier konnten auf einer Länge von etwa 6 m die 2,35 m starken Backsteinfundamente der Ringmauer erfaßt werden. Da die Fundamente der leicht gekämmten Ringmauer, des kleinen Bauhauses und des bestehenden Rundturmes, der weiter südlich in die Ringmauer integriert ist, gleiches Format der Backsteine aufweisen, läßt sich vorsichtig der Schluß ziehen, daß die aufgezählten Gebäude bzw. Befestigungsmauern in der Ausbauphase des 15. und 16. Jahrhunderts errichtet wurden (Anm. 21). Auf Grund des Backsteinformates ist auch die äußere Grabenwand der inneren Gräfte, die möglicherweise zwei Phasen aufweist, in diese Zeit zu datieren. Zwei weitere Suchschnitte im Anschluß an den nördlich des Ruinenhügels gelegenen Parkplatz erbrachten keine Befunde. Damit ist erwiesen, daß sich die Bebauung der Burg nicht so weit nach Norden erstreckten. Ergebnisse Zusammenfassend ist der fragmentarische Befund dahingehend zu interpretieren, daß die archäologischen Ergebnisse einer Gründung der Burganlage im 13. Jahrhundert nicht widersprechen. Die älteren Pfostensetzungen, die auf die jüngere Gräftenmauer Bezug nehmen, lassen die Existenz dieser Gräfte bereits im 13. Jahrhundert vermuten. Dann aber spricht vieles dafür, daß die Hauptburg seit jeher an der Stelle des heutigen Ruinenhügels lag. Für die Vorburg kann dies nicht zwangsläufig angenommen werden, da der untersuchte Bereich nur sehr spärliche Besiedlungsspuren aufwies. Anmerkungen
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Dr. Cornelia Kneppe / Dr. Hans-Werner Peine Westfälisches Museum für Archäologie Amt für Bodendenkmalpflege Fachreferat Mittelalter-Archäologie Salzstraße 22-23 48143 Münster (entnommen dem Buch "Davensberg, Burg und Flecken", Wilhelm Henrichmann, Heimatverein Davensberg) |